Eine Predigt (Alphonse Legros)
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Alphonse Legros (8. Mai 1837 – 8. Dezember 1911) war ein in Frankreich geborener Maler, Radierer, Bildhauer und Medailleur, der später die britische Staatsbürgerschaft annahm. Als Schlüsselfigur der britischen Radier-Renaissance übte Legros nachhaltigen Einfluss sowohl als Künstler wie auch als Lehrer aus und verband französische akademische Disziplin mit den expressiven Möglichkeiten der Druckgrafik.
Geboren in Dijon, war Legros der Sohn eines Buchhalters aus dem nahegelegenen Dorf Véronnes. Seine Kindheitsbesuche bei Verwandten auf dem Land hinterließen einen tiefen Eindruck; die Gesichter der örtlichen Bauern und die sanften Landschaften Burgunds tauchen später immer wieder in seinem Werk auf. Ursprünglich für ein Handwerk ausgebildet, studierte er an der Kunstschule von Dijon, bevor er bei Maître Nicolardo, einem Dekorationsmaler und Kunsthandwerker, in die Lehre ging. 1851 hielt Legros auf dem Weg nach Paris in Lyon inne und arbeitete dort sechs Monate lang als wandernder Wandmaler unter dem Dekorateur Beuchot, der gerade die Kapelle von Kardinal Bonald in der Kathedrale ausmalte.
Nach seiner Ankunft in Paris studierte Legros bei Charles-Antoine Cambon, einem Bühnenbildner, und besuchte die renommierte Zeichenschule von Lecoq de Boisbaudran, bekannt als die „Petite école“. Dort schloss er Freundschaften mit Jules Dalou und Auguste Rodin, die wie er später internationalen Ruhm erlangten. Anschließend besuchte er Abendkurse an der École des Beaux-Arts und erlernte um 1857 die Technik der Radierung, in der er sich auszeichnen sollte; zudem brachte er sich eigenständig die Kunst der Medaillenherstellung bei.
Legros zog 1863 nach London und nahm schließlich die britische Staatsangehörigkeit an. Seine Lehrtätigkeit, insbesondere an der Slade School of Fine Art, prägte eine neue Generation britischer Grafiker und festigte seinen Ruf als zentrale Figur der viktorianischen Kunstszene.
Bedeutendes Werk
Ein wichtiges Beispiel seines frühen Erfolgs ist das Gemälde Un Prêche („Eine Predigt“), das 1872 in der Royal Academy ausgestellt wurde. Das Werk zeigt eine ruhige, kontemplative Szene: eine Gruppe junger Französinnen, die in einer schwach beleuchteten Kirche andächtig der Predigt eines Mönchs lauschen. Das Gemälde wurde von zeitgenössischen Kritikern sehr positiv aufgenommen.
The Art Journal lobte die durchdachte Ausführung und bezeichnete es als „eine gute und wohlstudierte Komposition… fest und selbstbewusst“.
Kritiker F. G. Stephens schrieb im The Athenaeum über den „ernsten Zauber in den Gesichtsausdrücken der Zuhörerinnen… bewundernswert durch seine gedämpften, kraftvollen Farben“.
Das Werk von Legros, geprägt sowohl vom französischen Realismus als auch von britischer Kunstsensibilität, zeugt von einer tiefen Beobachtungsgabe des menschlichen Wesens und großer technischer Meisterschaft – Qualitäten, die seine nachhaltige Wirkung auf die europäische Kunst des späten 19. Jahrhunderts sichern.